Sonderausstellung von 2008 bis 2013:
Damme in Weltkrieg und Folgezeit

Mit diesem Titel ist der engere Zeitraum von Beginn des Zweiten Weltkrieges bis zum Ende der Konsumgüter-Rationierung 1950 umrissen. Gemäß der Aufgabe des Stadtmuseums sowie nach der Themen-Reihenfolge der bisherigen Sonderausstellungen befasst sich diese Epoche mit den Personen und Geschehnissen, die zwischen 1939 und 1950 das Leben der Dammer oder in Damme bestimmten.

Schon vier Monate nach Beginn des Krieges ist der erste Kriegstote in Damme zu beklagen. Es ist der Unteroffizier Fritz Enneking aus Borringhausen. Er war bereits 1935 freiwillig zur Luftwaffe gegangen und hatte als Bordmechaniker seit dem Kriegseintritt Großbritanniens Aufklärungsflüge nach dorthin zu absolvieren. Am 6. Dezember 1939 starb er auf dem Rückflug von England, weil seine Sauerstoffversorgung versagte. Fritz Enneking ist in Damme begraben.

Die Zahl der Dammer Gefallenen hält sich bis 1941 in Grenzen, doch mit Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion steigt sie rapide an, namentlich nach der Schlacht um Stalingrad, der Kriegswende 1942/43. Von der Art der Eilbestattungen, wie sie auf dem Rückzug in Russland üblich waren, kündet das Beispiel Heinrich Friemerdings, der am 23. Februar 1943 nach einem Bauchschuss starb. Die Aufnahme schickte sein Kompanie-Chef ein halbes Jahr später an die Familie. Das Grab ist später nie wiedergefunden worden.

Unter anderem anhand von Einzelschicksalen stellt die Sonderausstellung den Kriegsverlauf – und wie er in Damme registriert wurde – dar. Als erstes Beispiel ist der Nachrichtentechniker Hans Kraimer dokumentiert. Er konnte Anfang 1943 auf Grund einer Kriegsverletzung mit einem der letzten Flugzeuge dem Kessel von Stalingrad entkommen. Er brachte Fotos von den dortigen Zerstörungen mit. Bald darauf heiratete er auf einem Heimaturlaub Agnes Mönnig in Damme.

Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Krieges schwanden oftmals erst nach den ersten Anfangserfolgen der Wehrmacht. Nach dem „Blitzkrieg“ gegen Polen, der Besetzung der Niederlande, Belgiens und Frankreichs ließen sich die deutschen Besatzer 1940 vor dem Eiffelturm in Paris fotografieren; hier als zweiter von links der Dammer Soldat Fritz Wöbkenberg, der 1944 in Ostpreußen beim Vormarsch der Russen nach einer Kriegsverwundung starb.

An der 900-tägigen Belagerung der Region um Leningrad nahm von September 1941 bis Januar 1944 der Dammer Heinrich Meyer-Nordhofe teil. Seine gesamten Kriegseinsätze sind akribisch aufgeführt, ebenso die Zeit bzw. die Orte seiner über zweijährigen Gefangenschaft, die er teilweise am Rande des Weißen Meeres verbrachte. Die ersten Postkarten von dort als telegrammartig kurz gefasste Nachrichten an die Angehörigen zeigt die Sonderausstellung ebenfalls.

In Nordafrika setzte die Wehrmachtsführung Ende 1942 Bernhard gr. Trimpe aus Sierhausen ein, wo er bereits im Mai 1943 in amerikanische Gefangenschaft kam. Von dort schickte man ihn in verschiedene Lager in den USA, von wo er Briefe schrieb, die durchaus nicht das offiziell propagierte Feindbild widerspiegelten. 1946 entließ man ihn in die Heimat. Neben der vergrößerten Postkarte aus Tunis (s. Abb.) zeigt dazu die Sonderausstellung diverse Dokumente.

Ab Ende 1942 hatte das Militär nicht mehr die Kontrolle über den deutschen Luftraum. Immer häufiger drangen feindliche Bomber ins Land ein und zerstörten insbesondere die großen Städte. Damme lag dabei in einer der Haupteinflugschneisen, war aber zunächst nicht das Ziel der Bomber, sondern die großen Städte. So ist der erste Bombenabwurf in Damme auch eher ein Ergebnis eines Luftkampfes eines deutschen mit einem britischen Jagdflugzeug, wobei letzteres seine Bombenfracht abwerfen musste. Das Foto zeigt das lädierte Haus Oldemann/Stromann an der Steinfelder Straße, die eine der ungezielten Bomben traf.

Seit 1944 wusste der britische Geheimdienst offenbar um die Existenz der Dammer Muna (Munitionsanstalt der deutschen Luftwaffe in Schelenhorst). Die Suche nach den dort lagernden erheblichen Munitionsbeständen blieb jedoch bis Kriegsende wegen der guten Tarnung der Bunker im Wald erfolglos – zum Glück für Damme, denn eine Bombardierung hätte für Damme und alle umgebenden Siedlungen katastrophale Folgen gehabt. Das Luftbild eines britischen Aufklärungsflugzeugs von September 1944 erklärt angesichts seiner Unschärfe die begrenzte Auswertbarkeit solcher Fotos.

Mit der verlorenen Luftraumkontrolle verstärkte die deutsche Seite die Abwehrmaßnahmen. Eine davon war die Einrichtung von Flak-Stellungen (Flak = Flugabwehr-Kanone) auch im Dammer Raum. Das Großfoto in der Sonderausstellung zeigt die Besatzung der Flakstation auf dem Hügel bei der Schnatmühle in Borringhausen. Eingesetzt waren hier vorwiegend ältere oder eingeschränkt wehrtaugliche Männer. Eine zweite Flak-Stellung befand sich auf dem Mahnenberg in Bergfeine.

Gegen Kriegsende, als die NS-Führung mit Durchhalteparolen, „Endsieg“-Behauptungen und vermeintlichen Wunderwaffen die Aussichtslosigkeit des Krieges vertuschen wollte, mobilisierte sie den sogen. „Volkssturm“. Die Sonderausstellung zeigt u.a. dazu das Foto des Volkssturms aus Rüschendorf, der vorwiegend von alten Männern gestellt werden musste. Aufnahme Ende 1944 vor dem Haus Wöbkenberg an der Hauptstraße.

Die Nachkriegsprobleme Dammes waren nicht nur wegen der extrem hohen Flüchtlingszahl und der frei gelassenen kriegsgefangenen Zwangsarbeiter erheblich, so dass auf die Verwaltung unfassbare Aufgaben zukamen. Bis September 1946 stand an der Spitze ein Bürgermeister, der von den Briten eingesetzt war. Danach wurde gemäß der englischen Kommunalverfassung das „zweigleisige“ Modell eingeführt, wonach ein vom Gemeinderat gewählter ehrenamtlicher Bürgermeister, hier Heinrich Wolking (s. links), und ein beamteter hauptamtlicher Gemeindedirektor, hier Dr. Franz Holthaus (s. rechts), die Geschicke der Gemeinde leiteten.

Schon ab 1944 trafen in Damme die ersten Ausgebombten aus den Großstädten ein und kamen meist bei Verwandten unter. Allerdings stellte sich spätestens mit Beginn des Jahres 1945 heraus, dass erhebliche Flüchtlingsströme aus dem Osten diese verhältnismäßig geringe Zahl bei weitem übertrafen, denn die Front rückte täglich näher auf deren Herkunftsgebiete in Ostpreußen, Schlesien und Pommern. Mit der anschließenden polnischen Besetzung folgten dann die Zwangsvertriebenen, so dass allein 1945 und 1946 fast 3000 Obdachlose nach Damme gelangten. Eines der größeren Sammellager war dabei die Barackensiedlung „Maidenlager“, in dem zuvor Frauen des verpflichtenden NS-Arbeitsdienstes gewohnt hatten.

Das zweite Sammellager für Flüchtlinge und Vertriebene lag am Osterberg, ebenfalls wie das Maidenlager in Nordhofe, und war bereits 1934 als FAD-Lager (FAD = Freiwilliger Arbeitsdienst) angelegt, aber 1935 dem RAD (Reichsarbeitsdienst) übergeben worden, in dem sich die Unterkunft für die RAD-pflichtdienstleistenden Männer befand. Während des Krieges war es Lager für polnische, russische, französische und schließlich italienische Kriegsgefangene gewesen. Dieses Osterberg-Lager war dasjenige mit der höchsten Flüchtlings-Belegung. Beide Sammelunterkünfte konnten erst 1960 aufgelöst werden. Die Sonderausstellung geht speziell auf das dortige Leben mit Hilfe von Dokumenten Gisela Wehmings, verh. Nyhuis, ein.

In der Muna im damaligen Dammer Ortsteil Schelenhorst herrschte während des Krieges reger Betrieb, denn bis zu 400 Menschen, vorwiegend Frauen, waren hier dienstverpflichtet, um die Endfertigung von Munition vorzunehmen. Ebenso – wie es das Foto aus der Kriegszeit anzeigt – beschäftigte die Luftwaffe in diesem Hochsicherheitsbereich kriegsuntaugliche Männer und viele Zwangsarbeiter/Kriegs-Gefangene. Der Transport der explosiven Waffen zur bzw. aus der Muna erfolgte per Bahn.

Am Ende des Krieges lagerten noch erhebliche Munitionsbestände in den Bunkern der Muna. Die britische Besatzungsmacht wollte diese möglichst umgehend unschädlich machen. Dazu rekrutierte sie deutsche Kriegsgefangene, die sich gegen besondere Vergünstigungen zu höchst gefährlichen Bomben-Sprengkommandos melden konnten. Einer dieser Wagemutigen war Siegfried Flach, der 1946/47 mit anderen Kameraden in sicherem Abstand zur Muna und kontrolliert vorwiegend Bomben sprengte, um später in Damme zu bleiben, denn in seine sowjetisch besetzte Heimat wollte er nicht zurück.

Ein bezeichnendes Nachkriegs-Schicksal erlebte Erich Rettkowitz. In Ostpreußen geboren, zur Wehrmacht eingezogen, von den Briten aus Kriegsgefangenschaft entlassen, verschlug es ihn nach Dümmerlohausen, wo er – wie so manche  Flüchtlinge – eine Arbeitsstelle als landwirtschaftlicher Gehilfe bekam. Mit dem Ausbau des Eisenerzbergwerks wurde er begeisterter Bergmann und war nach der Heirat mit Maria Bohne (s. Abb.) einer der ersten Hausbesitzer im neu angelegten Ortsteil Glückauf.

Als Teil der deutschen Rüstungsindustrie war das Bergwerk 1939 eröffnet worden, doch da es während des Krieges noch bis zur Förderfähigkeit auszubauen war, konnte es erst nach Kriegsende umfassend betrieben werden. Es bot somit insbesondere den zahlreichen Flüchtlingen einen willkommenen Arbeitsplatz, denn Alternativen hatte Damme außerhalb der Landwirtschaft, des Handwerks und Handels keine. Der Wiederaufbau verlangte zudem enorme Rohstoffmengen, so dass der Dammer „Schacht“ florierte.

Ein zweiter großer Glücksfall für Damme war 1946 die Gründung des Textil-Unternehmens Bahlmann & Leiber, denn es bot in der Nachkriegszeit reichlich Arbeitsplätze für Frauen, die nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch Einheimische gern annahmen. Der Dammer Conrad Leiber hatte hier ein Zweigwerk seines Schwiegervaters Ferdinand Bahlmann aus Nordhausen eröffnet, das ebenfalls eine rasante Entwicklung nahm, insbesondere nach der Währungsreform, als 1949 ein neues Produktionsgebäude errichtet wurde, dem in den nächsten Jahren noch weitere folgen sollten.

Verfügbare Literatur im Stadtmuseum zu diesem Thema:

  • Friemerding, Wolfgang: Damme in Weltkrieg und Folgezeit, Damme 2013, 816 Seiten, 1600 Abbildungen