Etwa 5000 Totenzettel eingescannt

Die wachsende Mobilität der Bevölkerung, bedingt durch verschiedenste Faktoren, u.a. durch Ausbildungswege, Erwerbs- und Arbeitsverhältnisse, generiert das wachsende Bedürfnis, sich der eigenen Vergangenheit zu versichern und so zum Verstehen von tradierten Familiengeschichten beizutragen. In vielen Orten entstanden daher in den Heimatvereinen Datenbanken zur Familienkunde, in die der vorhandene Bestand der Archive nach und nach in Schlagworten eingepflegt wird, um diese Quellen für die Arbeit an Veröffentlichungen zugänglich zu machen.

Innerhalb des AK Familienkunde im Heimat- und Verschönerungsverein „Oldenburgische Schweiz“ zu Damme hat sich daher ein ehrenamtlich arbeitendes Team zusammengefunden, das in der Regel jeden Dienstagabend ein solches Schlagwortregister für den seit dreißig Jahren geführten Bibliotheksbestand im Untergeschoss des Stadtmuseum Damme erstellt und den bisher nur in Papier vorliegenden Teil der Sammlung an Abbildungen digital erfasst.

Nach Einrichtung einer zusätzlichen (von mehreren Spendern unterstützten) leistungsfähigen EDV-Technik mit der entsprechenden Software begann die Arbeitsgruppe zuerst mit dem Teilprojekt, Totenzettel aus dem 19. und 20. Jahrhundert einzuscannen. Namen und Daten der Verstorbenen fügte sie in eine alphabetisch geordnete Liste ein, unter der auch Foto und Text aufrufbar sind. Bei einem Namenswechsel (z. B. bei Eheschließungen) sind beide Einträge miteinander verknüpft.

Inzwischen überlassen Interessierte und Spender aus Damme dem Arbeitskreis häusliche Sammlungen von Totenzetteln von hiesigen oder außerörtlich verbundenen Verstorbenen, die auf Wunsch nach dem Einscannen die Eigentümer zurückerhalten. Zwar ergeben sich bei den eingereichten Mengen durchaus Überschneidungen, doch konnten bisher durch die zahlreiche Mithilfe etwa 5500 für Damme relevante Einträge verzeichnet werden.

Totenzettel, die bei Beerdigungen an der Kirchentüre ausgehändigt werden, bilden unter den Quellen zur Familienforschung einen eigenen Bereich. Steckte man früher diese Zettel meistens in das Gebetbuch, um im Gottesdienst oder in häuslicher Andacht noch weiterhin der Verstorbenen zu gedenken oder für sie zu beten, so werden sie jetzt zumeist in festen Umschlägen oder Kartons gesammelt aufbewahrt, wo sie oft erst von den Nachkommen entdeckt werden. Da die Daten zu Personen der letzten 100 Jahre noch geschützt sind, daher nicht in amtlichen Stellen eingesehen werden können, bilden die Totenzettel eine wertvolle Quelle namentlich zur Generation der Urgroßeltern gegenwärtig lebender Familien, wenn deren Lebensdaten nicht mehr bekannt sind. Mitunter bieten diese, falls sie nahe Verwandte oder Nachbarn in Auftrag gegeben haben, nicht immer verlässliche Daten, aber immerhin wertvolle Anhaltspunkte zum Lebenslauf, zu Beruf und Ehestand, zum Geburts- und Sterbeort, zum Ortswechsel in umliegende Regionen oder sogar zur Auswanderung nach Übersee, von wo Angehörige den Mitgliedern der daheimgebliebenen Familien diese Nachricht zukommen ließen. Ältere Totenzettel geben sogar gelegentlich die Todesursache an, z.B. einen Unfall oder bestimmte Krankheiten.

Zudem bilden diese Totenzettel eine interessante Grundlage für kulturhistorische Rückschlüsse auf Bereiche des religiösen Denkens, da die Gestaltung von Text und Bild einen langsamen Wandlungsprozess der Mentalitäten seit Anfang dieses katholischen Brauchs im frühen 19. Jahrhundert ablesbar macht, wie Christine Aka für den Raum Visbek untersuchen konnte (Aka, Christine: Tot und vergessen? Sterbebilder als Zeugnis katholischen Totengedenkens, Detmold 1993). Seinerzeit war es zunächst üblich, auf der Vorderseite religiöse Zeichen oder Bilder einzusetzen, umrahmt von einem schwarzen Trauerrand. Waren um 1900 Motive aus der Passionsgeschichte üblich, so bevorzugte man nach den Weltkriegen Bilder der trauernden Mutter Jesu, besonders die Figur der Pieta von Bethen. Die Totenzettel für Gefallene bilden eine eigene Gruppe, für die vorwiegend das Foto des Toten eingesetzt wurde. Nach 1960 überwiegen Dürers „Betende Hände“ oder Kreuzigungs-Szenen.

Die beigefügten Texte waren oft Fürbittgebete, Anrufungen, die einen Ablass gewährten, denn das Seelenheil des Verstorbenen stand im Mittelpunkt. Daneben sollte aber durch die Beschreibung des Lebenslaufs dem Verstorbenen die Erinnerung in der Gemeinde gesichert sein, wenn der Text dessen Fleiß und Pflichterfüllung in einem arbeitsreichen Leben thematisierte. Frauen schrieb man bevorzugt immerwährende Opferbereitschaft und Liebe zu. Später standen Bibelzitate und Sinnsprüche aus der Literatur an dieser Stelle, neuerdings auch eigene oder vorgegebene Reime.

Die Totenzettel sind somit wichtige Quellen für die Orts- und Mentalitätsgeschichte. Der Arbeitskreis der Dammer Familienforschung freut sich daher über jeden noch so geringen Beitrag aus weiteren Sammlungen.

Hilde Schreiner