I. Dammer Carneval mit einer Menge närrischer Eigenarten
Wer den Glas-Windfang durchschritten hat, wird von einem Zeitgenossen der 1950er Jahre, einem „Schwellkopf“ begrüßt, wie er rund ein Jahrzehnt regelmäßig in den Dammer Fastnachtsumzügen erschien. Ursprünglich hatte er noch zwei weitere, nicht erhaltene und wenig Vertrauen erweckende „Geschwister“. Diese Schwellköpfe tauchten erstmals im Mainzer Carneval zur Verspottung der französischen Besatzer Anfang des 19. Jahrhunderts auf. Die Gebrüder Leiber holten sie einst nach Damme. Dahinter sehen die Besucher die Darstellung eines Heischegangs, wie er seit dem Mittelalter die ursprüngliche Form eines Fastnachtsumzuges am Tag vor Aschermittwoch bzw. am „Fastaubend“ oder in der „Fastnacht“ als Rundgang durch die Haushalte des Ortes zum Sammeln von Getränken und Nahrungsmitteln ausgeübt wurde. Am Ende verprassten die Dammer Heischegänger alles in einem großen Festmahl gemeinsam. Eine Vitrine mit Kostümen von Prinz und Hofstaat aus den 1950er Jahren rundet diesen Bereich ab.
Im Zentrum der Carnevals-Abteilung steht die Vitrine mit dem Kostüm des erwachsenen Prinzen von 1949-1980 und dem des Kinderprinzen von 1949 bis 1958 sowie die Fahne mit der Datierung „Anno 1614“ nebst einigen prinzlichen Insignien. Auf der Rückseite der Fahne liest der Museumsgast nicht nur den zeittypischen Barock-Spruch „Lass ‘ne sausen“, sondern auch die bei hiesigen Narren übliche Schreibweise „Dammer Carneval“, die gezielt latinisiert ist.
Mit dem Jahr 1869 setzte eine erste Wende ein in der Dammer Art, Fastnacht zu feiern. Die Carnevalisten orientierten sich nun an rheinischen Formen, führten den Rosenmontag mit einem Themen-Umzug in Kostümierung, einen Prinzen, eine „Fastnachtszeitung“ sowie die Maskenbälle ein und nannten sich fortan offiziell „Carnevalsgesellschaft“. Überdies tagten sie in Planungs- und gleichzeitig Unterhaltungs-Sitzungen vor dem Rosenmontag viele Male. Den bisherigen Heischegang führten sie jedoch am Dienstag weiter als „Gänsemarsch“ und beendeten ihn mit dem „Jammerkaffee“. Ein Original-Kostüm aus dem Umzug 1905 mit dem Thema „Zigeuner“ ist in diesem Museums-Bereich ausgestellt.
Anhand dieser Tafel und der Porträts lässt sich nachvollziehen, warum Damme seinen Carneval eine Woche vor dem anderweitig üblichen Termin feiert. Die ersten beiden Bilder zeigen Münstersche Bischöfe, die mit dem „Vierzigstündigen Gebet“ an den närrischen Tagen den Carneval abwürgen wollten. Das dritte Bild hingegen lässt den Dammer Pastor Anton Mertz erkennen, der sich lange gegen diese Anordnung sträubte, aber im Jahre 1892 kapitulieren musste. Somit verlegten die Dammer Narren ihren Rosenmontag eine Woche vor und blieben seitdem bei diesem Termin, der mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal ist.
Im zentralen Bereich dieses Raumes zum Dammer Carneval befinden sich innen vor den Stellwänden alle Orden der Carnevalsgesellschaft ab dem Jahr 1949, zur anderen Seite diejenigen des früheren Präsidenten Josef Stromann, worunter auch manche von auswärtigen Vereinen sind. Die Stellwand-Tafeln zeigen die „Prinzengalerie“ mit den Porträts aller erwachsenen Prinzen seit 1934. Die Kinderprinzen-Bilder seit 1938 hängen dagegen an der rechten Seitenwand. An den Außenseiten der Stellwände gibt es mit Groß- und kleineren Abbildungen sowie aufschlussreichen Erläuterungen Wissenswertes über den Neu-Anfang nach dem Zweiten Weltkrieg, d.h. über die Jahre 1949 bis 1953. Ein Kuriosum ist dabei der gewählte Prinz des Jahres 1951 Johannes Gausepohl, der bereits nach kurzer Zeit wegen großer Bedenken der katholischen Kirchenvertreter und der politischen Gemeinde zurücktreten musste. Die Dammer feierten in diesem Jahr die „Narrenrepublik“. Er nahm es mit Humor und zeigte sich in einer Kutsche als „Prinz Hans I. im Exil“ im Rosenmontagsumzug.
Die Materialien auf der Rückseite der Stellwände erklären übrigens genau, was den Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg in Damme ausgezeichnet hat. Es beginnt mit dem „großen Wagnis“ in Zeiten von Not und Zerstörung nach dem Krieg und setzt sich fort über die Jahre mit ganz neuen Ansätzen, wie z. B. den Galasitzungen ab 1951, die ausschließlich mit eigenen Talenten im Bütten- und Musikprogramm bestritten wurden. Dann geht es weiter mit der Entwicklung zum Carneval als Volksbewegung durch die Förderung der Eigeninitiative, die schließlich bis heute dazu führte, dass Damme schon viele Jahre mit seinen über 9000 Mitwirkenden den größten Umzugs-Carneval Norddeutschlands zeigen kann. Auf einer der Abbildungen sieht der Zuschauer zwei Traditionsgestalten in der Bütt der Dammer Carnevalsgesellschaft von 1614, wie sie schon im 19. Jahrhundert belegt sind: Willy Enneking als „Trina“ und Mans Büld als „Muck“, hier 1956 auf einer Galasitzung im Kolpinghaus-Saal.